Kommunaler Finanzausgleich: Vorlage an den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz
Dem Verwaltungsgericht Neustadt a. d. W. lagen insgesamt drei Klagen der Stadt Pirmasens (Az.: 3 K 147/16.NW und 3 K 602/16.NW) und des Landkreises Kaiserslautern (Az.: 3 K 415/16.NW) in Sachen Kommunaler Finanzausgleich (KFA) vor. Diese richteten sich gegen die Schlüsselzuweisungsbescheide, mit denen das Land der Stadt und dem Landkreis im Rahmen des KFA für die Jahre 2014 (Pirmasens) bzw. 2015 (Pirmasens und Landkreis Kaiserslautern) Finanzmittel zugewiesen hatte. Das Verwaltungsgericht hat diese Prozesse nunmehr ausgesetzt und dem Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob das Landesfinanzausgleichsgesetz 2014 (LFAG 2014) in Verbindung mit den Ansätzen für die Finanzausgleichsmasse im Haushaltsplan der in Rede stehenden Jahre mit dem Anspruch der Kommunen auf angemessene Finanzausstattung durch das Land gemäß Art. 49 Abs. 6 Landesverfassung (LV) vereinbar ist. Nach Überzeugung des Verwaltungsgerichtes ist dies nicht der Fall.
Die drei Beschlüsse sind dabei hinsichtlich ihrer Begründung (Ziff. II. ff.) im Wesentlichen gleichlautend und lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das Land habe bei Erlass des LFAG 2014 die „verfahrensrechtlichen Mindestanforderungen an eine legislatorische Entscheidung über den KFA“ nicht eingehalten. Schon allein dies führe zur Unvereinbarkeit des LFAG 2014 mit Art. 49 Abs. 6 LV. Das Land habe den Kommunen zudem durch das LFAG 2014 nicht die gemäß Art. 49 Abs. 6 LV gebotene angemessene Finanzausstattung der Höhe nach gewährt. Auch insofern sei das Gesetz verfassungswidrig.
- Zur verfahrensrechtlichen Mindestanforderung führt das Verwaltungsgericht aus: Das Land sei verfassungsrechtlich gehalten, sowohl in Bezug auf sich selbst als auch in Bezug auf die Kommunen Aufgaben- und Ausgabenlast sowie die Einnahmensituation festzustellen, nachvollziehbar darzulegen und durch Aufnahme in die Gesetzesmaterialien transparent zu machen. Dies habe bereits der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz im sog. Neuwied-Urteil vom 14.02.2012 festgestellt (vgl. Geschäftsbericht 2012). Diesem Anspruch sei das Land bei Erlass des LFAG 2014 nicht gerecht geworden.
- Zur unzureichenden Finanzausstattung der Höhe nach führt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus:
- Es bestehe ein „strukturelles Finanzdefizit“ der Kommunen. Zwar seien die Kommunen gemäß dem Neuwied-Urteil verpflichtet, ihre Kräfte hinsichtlich ihrer Finanzen größtmöglich anzustrengen; jedoch entbinde selbst das Fehlen einer solchen größtmöglichen Kraftanspannung auf Seiten der Kommunen das Land nicht von seiner Pflicht, nach Art. 49 Abs. 6 LV die Finanzquellen der Kommunen aufzustocken.
o Sowohl die Stadt Pirmasens (Realsteuerhebesätze) als auch der Landkreis Kaiserslautern (Kreisumlage) hätten noch Einnahmepotenziale. Zugleich weist das Verwaltungsgericht jedoch auf die verfassungsrechtlichen Grenzen hin, die bezüglich der Höhe der Kreisumlagen bzw. der Realsteuerhebesätze gesetzt sind.
o Ursächlich für die „prekäre Finanzlage der rheinland-pfälzischen Kommunen“ seien im Wesentlichen die Sozialausgaben. Angesichts deren Steigerung stelle „der Beitrag des Landes zur Bewältigung der kommunalen Finanzkrise im LFAG 2014 zur Überzeugung des Gerichts keinen spürbaren Beitrag - wie von dem Verfassungsgerichtshof 2012 gefordert - dar“. Es habe lediglich eine effektive Steigerung der Finanzausgleichsmasse um 50 Mio. € gegeben.
o Weiterhin rügt das Verwaltungsgericht namentlich folgende Befrachtungen des Finanzausgleichs als „nicht sachgerecht“: Finanzielle Honorierung von kommunalen Gebietsveränderungen aus dem KFA, Leistung von Finanzmitteln aus dem KFA an den Landesbetrieb Landesforsten und für den Winterdienst an Ortsdurchfahrten.
- Hinsichtlich der Liquiditätskredite stellt das Verwaltungsgericht fest, dass diese durch die verfassungswidrige unzureichende Finanzausstattung in den Jahren 2007 bis 2013 maßgeblich verursacht worden ist. Die Kommunen hätten signifikant hohe Sozialausgaben zu tragen gehabt und die „Finanzmittel, die ihnen eigentlich im Rahmen des Finanzausgleichs von dem Land zu gewähren gewesen wären, aufzubringen, wozu es Kreditaufnahmen“ bedurft hätte. „Keinesfalls“ hätte die Deckungslücke, wie das Land geltend macht, allein durch größtmögliche Kraftanstrengungen durch die Kommunen selbst geschlossen werden können. Das Land habe in dem siebenjährigen Zeitraum (2007 bis 2013) „zu seinen Gunsten und zulasten der Kommunen […] seine finanzielle Lage verbessert“. Diese „Unterfinanzierung der Kommunen“ wirke noch weiter in die Zukunft.
- Durch die nochmalige Änderung des LFAG im Jahr 2018 habe das Land zum Ausdruck gebracht, dass es sich selbst darüber im Klaren war, dass es durch das LFAG 2014 seiner Verpflichtung aus dem Neuwied-Urteil nicht nachgekommen ist: „Es gibt aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte etwa die Schlüsselzuweisung C 3 eingeführt hätte, wenn er seine Pflicht aus Art. 49 Abs. 6 LV mit den Regelungen im LFAG 2014 als vollumfänglich erfüllt angesehen hätte“.
Das Urteil endet mit einer kurzen Begründung, warum die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz vorgelegen haben.