„Schutzschirm für Kommunalfinanzen!“ Resolution der kommunalen Spitzen-verbände Rheinland-Pfalz

„Schutzschirm für Kommunalfinanzen!“ Resolution der kommunalen Spitzenverbände Rheinland-Pfalz

Zum Schutz der Bevölkerung vor einer weiteren Ausbreitung der Lungenkrankheit COVID-19 hat das Land Rheinland-Pfalz mehrere Landesverordnungen zur Bekämpfung des Corona-Virus erlassen. Mit diesen Landesverordnungen wurde und wird das öffentliche Leben weitgehend eingeschränkt („Lockdown“).

Von diesen Maßnahmen sind auch die Unternehmen der freien und öffentlichen Wirtschaft, oftmals in Form massiver Umsatz- und Gewinneinbußen, betroffen. Dies hat auch unmittelbare Folgen für die Kommunalhaushalte. Unmittelbar sind zunächst die Einnahmen der Städte und Gemeinden aus der Gewerbesteuer stark rückläufig. Gleiches wird auch aufgrund des rückläufigen Konsums sowie des starken Anstiegs der Kurzarbeitsverhältnisse für den Gemeindeanteil an den Gemeinschaftssteuern gelten. Erste konkrete Einschätzungen der Folgen der Pandemie für die öffentlichen Finanzen dürften im Mai 2020 mit den Ergebnissen der nächsten Steuerschätzung sowie im Juli 2020 mit der Veröffentlichung der Gemeindeanteile an den Gemeinschaftssteuern bzw. der kassenmäßigen Einnahmen und Ausgaben der Kommunen im zweiten Quartal 2020 vorliegen. Wird der von der Bundesregierung für 2020 unterstellte Rückgang des Bruttoinlandprodukts von 6,3 % zugrunde gelegt, so ergeben sich für die Kommunen in Deutschland Mindereinnahmen allein aus Gewerbesteuer und Einkommensteuer sowie Mehrausgaben allein durch steigende Sozialkosten in Gesamthöhe von schätzungsweise mehr als 20 Mrd. €. Davon dürften mindestens ca. 1 Mrd. € auf Rheinland-Pfalz entfallen.

Diese Einnahmeausfälle werden sich ab 2021 aufgrund eines entsprechend rückläufigen Kreisumlage- und Verbandsgemeindeumlageaufkommens auch in den Kreis- und Verbandsgemeindehaushalten auswirken. Kreise und kreisfreie Städte als untere Gesundheits- und Katastrophenschutzbehörden haben zudem enorme Mehrausgaben im Zuge der unmittelbaren Bekämpfung der Pandemie. Hierzu zählt u. a. die Erkennung und Behandlung coronainfizierter Personen mittels der Einrichtung von Fieber- und Corona-Ambulanzen, Notkrankenhäusern, Notunterkünften, Laborkosten usw.. Schließlich werden z. T. auch weiterhin Ausgaben in voller Höhe weiter getätigt, obwohl die Gegenleistung weggefallen oder stark reduziert ist. Exemplarisch sind hier Leistungen für die Sozialdienstleister zu nennen oder für den ÖPNV/SPNV (z. B. freigestellte Schülerverkehre, Ausgleich von Mindererlösen der Verkehrsunternehmen).

Insgesamt sind die Perspektiven für die Kommunalhaushalte 2020 und die Folgejahre - trotz der von Landkreistag und Städtetag unverändert begrüßten Auszahlung einer Pauschale in Höhe von 25,00 € pro Einwohner durch das Land - als düster zu bezeichnen. Vor diesem Hintergrund fordert die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Rheinland-Pfalz, dass sich dieses für stabile Kommunalfinanzen engagiert. Erste Schritte sind mit der Auszahlung der Pauschale in Höhe von 25,00 € pro Einwohner durch das Land sowie haushaltsrechtlichen Erleichterungen im Zuge zweier Haushaltsrundschreiben 2020 getan. Die Landesregierung muss gleichwohl auf weitere aktuelle und absehbare nachteilige Veränderungen in den Kommunalhaushalten reagieren.

Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände bedeutet dies Folgendes:

1.    Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände fordert die Landesregierung auf, einen kommunalen Schutzschirm in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden zu spannen. Ziel des kommunalen Schutzschirms muss es sein, alle kommunalen Gebietskörperschaften handlungsfähig zu halten. Die Kommunen sind erster Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger und gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten sind die Kommunen mit ihren Ausgaben z.B. im Bau- und Planungsbereich eine wesentliche Stütze für eine positive konjunkturelle Entwicklung. Die bisher gewährten 100 Mio. € Soforthilfe sowie höhere finanzielle Leistungen aus der für wirtschaftlich schwere Zeiten vorgesehenen Reserve (sog. Stabilitätsrechnung) des Kommunalen Finanzausgleichs werden die Einnahmeausfälle und Mehraufwände nur zu einem geringen Teil kompensieren. Daher sind zusätzliche finanzielle Mittel zwingend und dringend erforderlich. Die Landesregierung ist aufgefordert, diese Mittel den Kommunen zeitnah zur Verfügung zu stellen. Bestrebungen des Bundes, den Kommunen finanziell unter die Arme zu greifen, sind von der Landesregierung zu unterstützen und zu befördern. Die Verantwortung für eine auskömmliche Finanzausstattung der Kommunen liegt verfassungsrechtlich beim Land.

Losgelöst von Sofortmaßnahmen zur Stabilisierung der Kommunalfinanzen ist und bleibt das Land aufgefordert, die Finanzausstattung der Kommunen strukturell zu verbessern.

2.    Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände fordert darüber hinaus endlich eine Altschuldenlösung, die auch tatsächlich Wirkung entfaltet. Eine Lösung auf Bundesebene tut Not und darf gerade jetzt nicht weiter von einzelnen Ländern unsolidarisch blockiert werden. Das Land Rheinland-Pfalz bleibt aufgefordert, eine umfassende Entschuldung auf den Weg zu bringen. Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände liegen vor. Eine Umwidmung des leider nicht effektiven kommunalen Entschuldungsfonds würde eine Finanzierung zumindest für die ersten Jahre zu einem guten Teil sicherstellen. Die Investitions- und Strukturbank Rheinland-Pfalz steht als wichtiger Partner für eine kommunale Altschuldenlösung zur Verfügung. Aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände ist es möglich, ein Landeskonzept zum nachhaltigen Abbau der kommunalen Altschulden so auszugestalten, dass eine vollständige oder teilweise Abnahme der Schulden durch den Bund zu einem späteren Zeitpunkt möglich ist. Die Voraussetzungen sind gegeben.

3.    Wir fordern die Kommunalaufsicht dazu auf, die Haushalte 2020 unverzüglich zu genehmigen. Etwaige Auflagen sind unverzüglich aufzuheben. Die Kommunen müssen in der Lage sein, flexibel, zügig und rechtssicher auf die Herausforderungen durch die Pandemie reagieren zu können.

Die kommunalen Spitzenverbände fordern zudem, eine solche Praxis bei anstehenden Nachtragshaushalten sowie auch über 2020 hinaus in den kommenden Jahren fortzusetzen, bis die Folgen der Corona-Pandemie überwunden sind. Es versteht sich von selbst und ergibt sich aus dem kommunalen Haushaltsrecht, dass bei künftig zu erwartenden, flächendeckend defizitären Haushalten die kommunalen Gebietskörperschaften ohnehin überprüfen werden, auf welchem Weg Einsparungen umgesetzt werden können. Gleichwohl besitzen die Kommunen auch in Zukunft die Aufgabe, für ihre Bürgerinnen und Bürger, aber auch mit Blick auf die mittelständische Wirtschaft, in die öffentliche Infrastruktur zu investieren. Diesen scheinbaren Widerspruch gilt es in kommunaler Selbstverantwortung unter Verzicht auf dirigistische Eingriffe, die einseitig das Ziel reduzierter Ausgaben verfolgen, zu lösen.

4.    Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände appelliert an die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) auch über 2021 hinaus für die folgenden Jahre von Forderungen nach Hebesatzsteigerungen sowie Erhöhungen der Umlagesätze abzusehen. Angesichts der schwersten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit muss gerade auch vor dem Hintergrund der mittel- und langfristig düsteren Wirtschaftsprognosen renommierter staatlicher und privater Organisationen bzw. Institutionen das Augenmerk darauf gerichtet sein, die Unternehmen der freien und öffentlichen Wirtschaft zu stabilisieren und Perspektiven für einen durchgreifenden Wirtschaftsaufschwung zu eröffnen. Dazu gehört auch, den privaten Konsum zunächst zu stabilisieren und langfristig wieder an das Vorkrisenniveau heranzuführen. Steuer- und Umlageerhöhungen würden diese Ziele konterkarieren und einem konjunkturellen Aufschwung einen empfindlichen Dämpfer versetzen. Das kann und darf sich Rheinland-Pfalz auch im Hinblick auf den wirtschaftlichen Wettbewerb mit den anderen Bundesländern nicht erlauben.

5.    Auch ist von Kürzungen oder Deckelungen im Bereich der freiwilligen Leistungen wie für die Bildung, das Ehrenamt, den straßengebundenen ÖPNV, den Kultur- oder den Bereich des Tourismus oder auch für die Vereinsförderung Abstand zu nehmen. Eine Unterscheidung in Pflichtaufgaben und freiwilligen Leistungen ist in Krisenzeiten nicht angezeigt und würde den nachteiligen Effekt der Pandemie noch verstärken. Gerade in Krisenzeiten zeigt sich die Bedeutung der Kultur für die Menschen als Fluchtpunkt und Möglichkeit, sich anderen Interessen als der Sorge um Infektionsgefahr und Arbeitsplatz zu widmen. Ein funktionierender ÖPNV bleibt für die Städte, das Umland und für die dünner besiedelten Regionen unverzichtbar. Zudem darf auch das Thema Klimaschutz nicht in Vergessenheit geraten, das einen Ausbau des ÖPNV absolut erforderlich macht. Einige Bereiche des Tourismus werden auf Jahre mit Einbußen aufgrund der Pandemie zu kämpfen haben. Hier bedarf es in Zukunft eher höherer kommunaler Ausgaben, um die touristischen Strukturen vor Ort nach Bedarf zu unterstützen.

Die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände stellt abschließend fest, dass in den vergangenen Jahren trotz hervorragender wirtschaftlicher Rahmenbedingungen, erheblicher Konsolidierungsleistungen der Kommunen und Nachbesserungen des Landes keine strukturell nachhaltige Gesundung der Kommunalfinanzen erreicht wurde.

Wir fordern das Land auf, den mit dieser Resolution verfolgten Anliegen Rechnung zu tragen.