Herr Bürgermeister Simon, was war Ihre zentrale Motivation für diesen Solidarvertrag?
Karl Heinz Simon: Schon seit Jahren beschäftigen wir uns mit Erneuerbaren Energien – in Sachen Windkraft. Aber wir wollten gerne noch aktiver in der Energiewende unterwegs sein. Die Möglichkeiten dazu sind in der VG Zell aber begrenzt – durch die Ausweisung als FFH-Schutzgebiet, die Einflugzone zum Flughafen Hahn, Vogelschutzgebiete und den Schutz des Moseltals, der sich bis in den Hunsrück auswirkt-
Die Erfahrungen haben gezeigt, dass die Konkurrenz der Gemeinden letztendlich keinem genutzt hat. Wir wollen aber, dass alle partizipieren. Als das Thema Freiflächen-Photovoltaik aufkam, haben wir jeden Gemeinderat besucht und offen diskutiert.
Welche Hemmnisse waren zu überwinden, um den Konsens zu erreichen?
Bürgermeister sind zunächst dafür da, die Interessen der eigenen Gemeinde zu vertreten. Da ist der erste Gedanke, durchaus ordentliche Pachterlöse zu generieren, die auch in der Gemeinde verbleiben.
Aber wir als Verbandsgemeinde haben schon deutlich gemacht, dass eine Fläche, die ins Rennen geschickt wird, nicht automatisch auch als genehmigte Fläche aus dem Verfahren wieder herauskommt. Über den Solidarvertrag sind alle Gemeinden beteiligt – auch die, die keine geeigneten Flächen aufweisen oder solche, die zum Schluss nicht genehmigungsfähig sind.
Also sanfter Druck über den Genehmigungsvorbehalt?
Nein, ganz im Gegenteil! Wir sehen uns als eine kommunale Familie, die große Gemeinschaft aller. Dabei sind alle in einem Boot und alle profitieren davon. Darauf sind wir sehr stolz!
Druck auszuüben ist nicht unsere Philosophie, denn damit würde man statt Einigkeit nur das Gegenteil erreichen.
Hat sich der Solidarpakt-Prozess auf die Zusammenarbeit mit den Ortsgemeinden ausgewirkt?
Die Gemeinsamkeit wurde gestärkt, Vertrauen zusätzlich aufgebaut. Die ehrenamtlichen Ortsbürgermeister haben erkannt, dass die VG hinter ihren Absichten steht. Unsere Verwaltungserfahrung hat zu weitaus besseren Abschlüssen mit den Betreibern verholfen. Die Arbeit mit den Projektierern verläuft im Übrigen durchaus positiv, dem Solidarfonds sind bereits Gelder zugeflossen: Reservierungszahlungen, die sich im Haushalt 2021 widerspiegeln.
Demnach wird der Solidarpakt bereits gelebt?
Aber ja! Allein Flächenreservierungszahlungen von den Projektierern entsprechen rund 1,3 Prozentpunkten der Umlage, in Zahlen: 232.000 Euro.
Kritiker argumentieren ja häufig, es gehe bei all dem nur ums Geld . . .
Für uns steht die Klimathematik klar im Vordergrund. Sicher, auch die finanzielle Seite ist wichtig – aber: Wir, die Kommunen, müssen uns den klimapolitischen Zielen stellen und die von Bund und Land gestellten Rahmenbedingungen füllen. Umgesetzt wird in den Kommunen und Gemeinden.
Die Verbandsgemeinde stellt sich dieser Aufgabe. Weil wir es für eine gute Sache halten. Rentabel darf sie durchaus gern auch noch sein.
Die Verbandsgemeinde Zell (Mosel)
Der Verbandsgemeinde Zell (Mosel) gehören neben der Stadt Zell (rund 4000 Einwohner) weitere 23 Ortsgemeinden an, Gesamt-Einwohnerzahl: ca. 15.500.
Die VG Zell erstreckt sich über das Moseltal und angrenzende Bereiche der Hunsrückhöhe, Gesamtfläche: 194 km2.
Bürgermeister ist seit mehr als 20 Jahren der Sozialdemokrat Karl Heinz Simon.
Weitere Informationen: www.zell-mosel.de
Der Solidarfonds
Start am 01.01.2021,
Verhandlungen 12/2019 bis 12/2020,
Potenzialflächenstudie zur Errichtung großflächiger Photovoltaik-Freiflächenanlagen 12/2019 bis 06/2020,
Vertragsabschluss Solidarfonds 11.03.2021 (nachdem zuvor alle 24 Kommunen per Gemeinderatsbeschluss zugestimmt haben),
Vertragsabschluss Projektierer (Zeitraum von 12/2019 bis 02/2021),
Änderung des FNP (Verfahren seit 12/2019),
Bebauungsplanverfahren (frühzeitige Beteiligung ab 04/2021) (Gemeindespezifische Umsetzung),
erste finanzielle Erfolge: Umlagen-Reduzierung um 1,5 % Punkte der verbandsgemeindeangehörigen Gemeinden durch Anrechnung von Reservierungsentgelten.